Nicht wenige Mitarbeitende wechseln ihren Arbeitgeber nach tiefgreifenden Differenzen. Und so begegnet mir in meinen Beratungen auch immer wieder der Wunsch meiner Kund:innen, Rache zu nehmen, es irgendwie heimzahlen zu wollen.
Aktuelles Beispiel: Meine Kundin ist Mitte 40, arbeitet seit über 20 Jahren in einer GmbH mit öffentlich-rechtlicher Prägung. Das Unternehmen hat ca. 1.200 Mitarbeitende, es gibt einen Personalrat und eine Gleichstellungsbeauftragte.
In den mehr als 20 Jahren hat sie es von der Auszubildenden bis auf die unterste Ebene der Führungskräfte geschafft. Mehrfach hat sie sich auf Führungsaufgaben der nächsten Ebene beworben, wurde jedoch nie berücksichtigt. Die daraus entstandene Unzufriedenheit führte sie vor ein paar Monaten zu mir.
In unseren Gesprächen tauchte immer wieder die Frage nach dem Warum auf. Auch noch, nachdem wir schon geklärt hatten, dass sie ihre Zukunft nicht mehr in diesem Unternehmen sieht und sogar einen erfolgreichen Bewerbungsprozess auf den Weg gebracht hatten.
Wir resümierten nochmal das Feedback, welches sie zu ihren Bewerbungen im Unternehmen bekommen hatte. Nichts davon deutete darauf hin, dass man sie als fachlich nicht geeignet hielt. Kritik an der Ausübung ihrer derzeitigen Führungsaufgabe gab es nicht. Andere Bewerber waren stets „einfach besser qualifiziert“ gewesen. Auch ein Gespräch mit dem Personalrat und der Gleichstellungsbeauftragten brachte keine hilfreichen Erkenntnisse.
Schließlich frage ich sie, ob sie schon mal einen Blick in ihre Personalakte geworfen habe. Nein, hatte sie nicht. Machte sie aber nun. Und da fand sich dann im Zusammenhang mit ihrer ersten Bewerbung auf eine Führungsaufgabe der nächsten Ebene ein kleiner, handschriftlicher Vermerk einer früheren Führungskraft –
„Nicht abgeschlossene Familienplanung? Mit Ausfällen ist zu rechnen.“
Losgelöst von rechtlichen Aspekten eines solchen Vermerks empfand meine Kundin diesen als zutiefst verletzend. Insbesondere, weil er einen wunden Punkt in ihrem Leben betraf. Sie hätte gerne Kinder gehabt, konnte aber keine bekommen.
Auch wenn der Zusammenhang zwischen dem Vermerk und der Nichtberücksichtigung bei Bewerbungen nicht zwingend ist, der Gedanke lag für sie nah und der Wunsch nach irgendeiner Form von Wiedergutmachung war da.
Und so sehr ich auch nachvollziehen konnte, dass sie den Wunsch hatte, sich für dieses empfundene Unrecht irgendwie zu revanchieren, so wenig konnte ich ihr raten, diesem Verlangen unreflektiert nachzugeben. Der mögliche Schaden, auch wenn sie das Unternehmen eh verlassen würde, überwog meiner Überzeugung nach, den möglichen Gewinn aus einem Racheakt.
Also fragte ich sie, was sie denn eigentlich erreichen wolle, worum ging es wirklich? Denn, Forscher der Universität Marburg haben in einem Experiment herausgefunden, dass Rache beim Rächer nur dann zu einem guten Gefühl führt, wenn das Opfer der Rache durch die Aktion einsieht, dass sein Verhalten falsch war und Reue zeigt. Ihr Fazit ist, dass es bei Rache um eine Botschaft geht. Gerechtigkeit wird erst dann empfunden, wenn der andere den Grund für die Rache verstanden hat.
Meiner Kundin ging es nicht darum, dem Unternehmen oder einer bestimmten Person einen Schade zuzufügen. Sie wollte neben einer Wiedergutmachung vor allem verhindern, dass sich so ein Vorgang nochmal wiederholt. Jedoch konnte sie die Führungskraft, die den Vermerk verfasst hatte, nicht mehr zur Rede stellen. Sie war zwischenzeitlich ausgeschieden.
Wir überlegten, wie sie wohl am ehesten erreichen könnte, dass eine Wiederholung ausgeschlossen werden kann. Schließlich wählte sie aus den erarbeiteten Möglichkeiten ein Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten, das wir gemeinsam vorbereiteten und übten. Und nach diesem Gespräch war schließlich der rauchende Vulkan erloschen, der Ärger verflogen und ihr innerer Friede wieder hergestellt. Ihre Geschichte hatte etwas Konstruktives bekommen.