Bin ich zu nett oder die anderen gemein?
Auch wenn der Begriff des People Pleasers derzeit häufig bemüht wird, neu ist das Phänomen nicht.
Es gab schon immer Menschen, die sich ihrer Interessen sehr bewusst waren und diese mit allen Mitteln durchzusetzen wussten. Häufig ein wenig abfällig als Karrieristen bezeichnet.
Und dann gibt es Menschen, die mögen die Ellenbogenmentalität nicht so sehr. Doch ist das gleich karriereschädliches People Pleasing? Aus meiner Sicht steckt mehr dahinter.
Mit seinem Buch „Den netten beißen die Hunde“ hat der bekannte Autor und Karriereberater Martin Wehrle das Thema schon vor längerer Zeit intensiv beleuchtet.
Es geht um eigene Werte, persönliche Grenzen, Respekt und wie man authentisch bleibt und trotzdem seine Ziele erreicht.
Auch in meinen Coachings erlebe ich immer wieder Situationen mit meinen Kund:innen, in denen es um diesen Themenkomplex geht. Im Kern geht es immer darum, die eigenen Ziele zu erreichen.
Und damit fängt alles an – was sind deine Ziele?
Häufig erlebe ich, dass Menschen mich kontaktieren, weil sie eine grundlegende Unzufriedenheit mit ihrem Job verspüren.
Wenn wir uns das näher anschauen, höre ich Sätze wie „Meine Arbeit wird nicht wertgeschätzt.“ oder „Jetzt ist schon der dritte Kollege aus meinem Team vor mir befördert worden, obwohl ich am längsten im Unternehmen bin.“
Bei näherer Betrachtung stelle ich regelmäßig fest, dass die Unzufriedenheit aus der Nichterfüllung von diffusen Erwartungen an die eigene Karriere entsteht. Klare Ziele sind bei meinen Kund:innen oft nicht vorhanden. Unterbewusste Erwartungen aber schon. Und wenn diese dann nicht realisiert werden, entsteht auch Unzufriedenheit.
Weil sich diese Erwartungen im Unterbewussten befinden, ist oft auch die Ursache für die Unzufriedenheit nicht bewusst. Das selbst zu erkennen und dann die richtigen Handlungsschritte daraus abzuleiten, ist keine leichte Aufgabe.
Bevor du dich fragst, ob People Pleasing vielleicht dein Problem ist, solltest du dir also zunächst mal deine eigenen Erwartungen und Ziele bewusst machen.
Je konkreter, desto besser. Am besten formulierst du deine Ziele nach der SMART Formel. Mehr über die SMART Formel findest du in den FAQ.
Muss ich meine Ellenbogen einsetzen, um meine Ziele zu erreichen oder geht das auch als People Pleaser?
Schauen wir uns erstmal genauer an, was People Pleasing eigentlich ist. Und sind alle, die davon nicht betroffen sind gleich „Harte Hunde mit starken Ellenbogen“?
Als People Pleaser werden in der Regel Menschen bezeichnet, die sehr stark dazu neigen, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und nach Harmonie um jeden Preis zu streben. Es handelt sich dabei weder um eine Charaktereigenschaft noch um eine Störung. Nach meiner Erfahrung handelt es sich eher um ein gelerntes Verhalten, oft entstanden aus einer Sorge vor Ablehnung und einer Abneigung gegenüber Konflikten.
Wer nett und freundlich zu anderen ist und dabei auch mal seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund treten lässt, ist also nicht gleich ein People Pleaser. Und es spricht auch überhaupt nichts dagegen, freundlich mit anderen Menschen umzugehen.
Ein Beispiel – du stehst im Supermarkt an der Kasse und hinter dir steht jemand, der es offensichtlich eilig hat und nur ein Teil in der Hand hält. Lässt du die Person vor oder nicht? Und bist du gleich ein People Pleaser, wenn du die Person vorlässt? Wahrscheinlich wirst du die Person vorlassen, wenn du es selber nicht so eilig hast und die durch das Vorlassen verlorene Zeit keine sonderliche Einschränkung für dich bedeutet. Du bist einfach mal nett.
Wie wäre es aber, wenn die Person sich einfach vordrängelt und du es ebenfalls eilig hast? Als People Pleaser würdest du das wahrscheinlich stillschweigend hinnehmen. Vielleicht ärgerst du dich, sagst aber trotzdem nichts.
- Wer dazu neigt, eigene Bedürfnisse zurückzustellen, wird es schwerer haben, seine Ziele zu erreichen.
- Auf der anderen Seite erlebe ich regelmäßig, dass diese Menschen sehr emphatisch sind, was ich als ausgesprochene Stärke empfinde.
Im Gegensatz dazu gibt es aber auch die Menschen, die ihre Interessen und Ziele scheinbar mühelos erreichen, sich auch gegen Widerstände durchzusetzen wissen, auch mal anecken können, Konflikte bewusst eingehen, auch auf Kosten der Harmonie – und damit kein Problem haben.
Die Grenzen, wann wir ein Verhalten als rücksichtslosen Einsatz der Ellenbogen erleben und was in Ordnung ist, sind fließend.
Je nachdem, wie die eigenen Präferenzen und das eigene Konfliktverhalten aufgestellt sind, bewerten wir eben auch das Verhalten anderer. Was für den einen schon eine „harte Gangart“ ist, empfinden andere noch als angemessen und normal. Im beruflichen Kontext spielt auch die jeweilige Unternehmenskultur eine wichtige Rolle, denn sie definiert, welche Verhaltensweisen in dem Unternehmen in Ordnung sind und welche nicht.
Um meine Ziele zu erreichen, muss ich also nicht zwingend meine Ellenbogen einsetzen. Denn am Ende hängt es sehr vom Anderen ab, ob mein Vorgehen als angemessen bewertet wird oder nicht. Darüber hinaus gibt es natürlich auch gesellschaftlich breit akzeptierte Verhaltensweisen und solche, die davon abweichen. Oder eben aus der Unternehmenskultur abgeleitete Grenzen.
Wie erreiche ich meine Ziele trotzdem?
Der erste Schritt ist, sich seiner eigenen Ziele und Bedürfnisse bewusst zu werden. Darüber hinaus spielen meine eigenen Werte eine wichtige Rolle, denn sie bestimmen wesentlich, welche Verhaltensweisen für mich okay sind und welche nicht.
Es geht also darum, einen authentischen Weg zu finden, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche angemessen zu vertreten, ohne gegen die eignen Werte zu handeln.
Wenn ich mir meiner eigenen Ziele bewusst bin, kann ich viel leichter dafür einstehen und mir wird auch viel schneller deutlich, wenn das Verhalten anderer dem entgegensteht.
Der nächste Schritt ist, immer dann einzuschreiten, wenn das Verhalten anderer gegen meine Bedürfnisse und Ziele geht.
Ich muss hier nicht gleich lospoltern und laut Stopp rufen. Trotzdem ist stoppen und innehalten ein wichtiger Schritt. Immer dann, wenn du spürst, dass dir gerade etwas gegen den Strich geht, frage dich, was konkret ist das gerade?
Und bevor du zu etwas Ja sagst, frage dich, dient das meinen Zielen? Wenn nicht, sage Nein.
Manchmal ist ein hartes Nein aus unterschiedlichen Gründen diplomatisch ungeschickt. Dann gilt es, zu verhandeln.
Vielleicht lässt sich ein für beide Seiten interessanter Kompromiss vereinbaren. Oft reicht ein „Ich werde darüber nachdenken und sage dir morgen Bescheid.“ schon aus, um erstmal nicht Ja zu sagen, aber eben auch nicht gleich Nein.
Das klingt für dich unrealistisch und zu schwer?
Dann fang klein an. Such dir ein Thema aus, bei dem du dich immer wieder dabei ertappst, wie du Ja sagst, obwohl du Nein meinst. Setze da an und übe Nein zu sagen.
Mache deutlich, wie ein Ja deinen Zielen entgegensteht und warum du also Nein sagst. Wie reagiert dein Gegenüber? Wahrscheinlich wirst du feststellen, dass dein Gegenüber gar nicht so reagiert, wie du befürchtet hast. Und das gibt dir Rückenwind, weitere Themen anzugehen.
Wer kann mir dabei helfen?
Such dir jemanden aus deinem Umfeld, dem du vertraust und bitte die Person, dir einen Hinweis zu geben, wenn sie beobachtet, dass du Ja sagst, obwohl ihr vorher besprochen habt, dass du zukünftig nicht mehr so leicht Ja sagen möchtest.
Das funktioniert am Arbeitsplatz und im Team, aber auch im privaten Umfeld. Alternativ kannst du dir auch extern jemanden suchen, der mit dir anhand von Rollenspielen übt, deine Interessen besser durchzusetzen.
Sei geduldig mit dir selbst. Es hat einen Grund, warum du bisher so agierst. Einen neuen Weg zu gehen, gelingt nicht immer gleich beim ersten Mal. Daher ist dran bleiben und üben wichtig.
Auch wenn es darum geht deine Ziele zu definieren, kann ein neutraler, außenstehender Mensch sehr hilfreich sein. Als Coach stelle ich dir zum Beispiel viele Fragen, die dir helfen, herauszufinden, was du möchtest und was nicht. Auch bei der Formulierung smarter Ziele kann ich dich unterstützen.
Du möchtest mehr darüber erfahren oder deine Situation mit mir teilen?
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Gemeinsam finden wir heraus, wie du deine Ziele erreichen kannst.
Verfasst / Aktualisiert am:
31.12.2024
Bildnachweis:
Florian Schmetz auf Unsplash