Unsere Welt bleibt nicht stehen, sie verändert sich kontinuierlich und seit einiger Zeit verändert sie sich gefühlt für viele immer schneller.
Viele Veränderungen sind positiv, zum Beispiel wenn eine wirksame Impfung gegen das Corona-Virus gefunden wird. Auch wenn, wie das bei Veränderungen häufig der Fall ist, nicht alle diese positiv bewerten.
Umgekehrt gibt es auch Veränderungen, die von vielen als negativ empfunden werden und doch auch Befürworter finden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist aus meiner Sicht die rasante Entwicklung im Feld Künstliche Intelligenz.
Allerdings kenne ich niemanden, der ein derzeit weit verbreitetes Phänomen positiv bewertet: Ghosting
Was ist Ghosting?
Ursprünglich wohl im Dating-Umfeld aufgetaucht, beschweren sich nach meiner Wahrnehmung aktuell ganz besonders viele Arbeitnehmende und Arbeitgebende gleichermaßen darüber, Opfer von Ghosting zu sein.
Unter Ghosting versteht man im Allgemeinen den plötzlichen, vollständigen Kontaktabbruch zu einer anderen Person, ohne dass es eine Vorwarnung, vorhergehende Anzeichen oder eine Erklärung gibt.
Beim Ghosting stellt also eine Person alle Formen der Kommunikation ein, etwa Antworten auf Nachrichten, Anrufe oder Treffen und „verschwindet“ aus dem Leben der Anderen wie ein Geist.
Typisch ist, dass keine Gründe genannt werden und alle Kontaktversuche ins Leere laufen.
Dieses Verhalten aus dem Dating findet sich nach meiner Beobachtung tatsächlich im übertragenen Sinne derzeit häufig auch im Bewerbungskontext wieder. Bewerbende führen erste Gespräche mit Arbeitgebenden – und hören dann nie wieder etwas vom Unternehmen. Anfragen zum Stand der Bewerbung laufen ins Leere. E-Mails, Telefonanrufe, nichts wird beantwortet. Als ob in dem Unternehmen niemand mehr arbeitet.
Umgekehrt häufen sich auch die Berichte in Zeitungen, bei LinkedIn und Co., dass Unternehmen von Bewerbenden gleichermaßen geghostet werden. Sie laden zu Bewerbungsgesprächen ein und niemand erscheint. Das geht so weit, dass Menschen am ersten Arbeitstag einfach nicht auftauchen, ohne vorher ein Wort zu verlieren.
Für beide Seiten ist dieses Verhalten gleichermaßen ärgerlich. Und aus meiner Sicht ist es völlig unnötig und absolut unprofessionell.
Darüber hinaus muss ich feststellen, dass das Phänomen nicht völlig neu ist. Zu Beginn meiner Karriere im HR-Bereich habe ich im Bereich Berufsausbildung einer Bank gearbeitet. Wurden wir am Anfang noch mit Bewerbungen überrannt und hatten reichlich Auswahl, stellten wir im Laufe der Jahre immer mehr fest, dass junge Menschen, die sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz beworben hatten, ihre Verträge zurückgaben oder auch tatsächlich schon mal am ersten Tag nicht erschienen.
Handelte es sich zunächst um seltene Ausnahmen, wurde das Phänomen mit der Zeit mehr und mehr zum Problem und wir überlegten uns spätestens zu Beginn der 2000er Jahre Maßnahmen, um dem entgegen zu wirken.
Was macht es so ärgerlich?
Für dich als jobsuchende Person geht es um viel. Du hast Zeit und Mühe in deine Bewerbung investiert, all deine Hoffnungen in diese Bewerbung gesetzt und dich vielleicht sehr über die Einladung zum ersten Gespräch gefreut.
Ein bisschen ist es wie ein Flirt und du hoffst auf ein zweites Date.
Doch dann kommt nichts mehr. Am Anfang noch Hoffnung, sie werden sich noch melden, da ist bestimmt viel zu tun, wahrscheinlich gibt es noch andere Bewerbende, mit denen Gespräche geführt werden müssen, das dauert … irgendwann stirbt dann auch die letzte Hoffnung, alles wieder von vorne, neue Ausschreibungen suchen, neue Bewerbungen schreiben, auf neue Einladungen und neue Gespräche hoffen, immer den Wunsch im Nacken, schnell einen neuen Job zu finden.
Das ist ermüdend und bisweilen auch zermürbend, absolut frustrierend.
Auch für Unternehmen ist solch ein Verhalten seitens Bewerbender eine große Belastung. Die aufgewendete Zeit der Menschen, mit denen du Kontakt hattest ist weg und kommt nicht wieder. Ein Job bleibt unbesetzt, Arbeit bleibt liegen. Das belastet das verbliebene Team, gefährdet Projekte, sorgt für unzufriedenen Kunden – es kostet das Unternehmen eine Unmenge Geld.
Wenn also beide Seiten unter den Folgen dieses Verhaltens leiden, warum taucht das Phänomen Ghosting dann überhaupt auf, warum lassen es beide Seiten nicht einfach und gehen fair und anständig miteinander um? Ich fürchte, ich habe auch keine Antwort auf diese Frage.
Was kannst du tun?
Hier unterscheide ich verschiedene Szenarien. Zunächst kommt es nach meiner Wahrnehmung immer häufiger vor, dass nach einer Bewerbung vom Unternehmen relativ zeitnah eine, oft automatisch verschickte, Eingangsbestätigung kommt und dann erstmal nichts passiert.
Wenn dann innerhalb von 14 Tagen keine weitere Reaktion kommt, empfehle ich beim Unternehmen aktiv nachzufragen. Am besten telefonisch und nur wenn du absolut gar keine Chance hast, eine verantwortliche Person zu erreichen, würde ich per E-Mail nachfragen.
Wer hier zu Beginn des Bewerbungsprozesses schon die richtige Ansprechperson recherchiert hat, hat es nun bedeutend leichter.
Wenn du bereits zum Gespräch eingeladen wurdest, halte ich es für essenziell am Ende des Gespräches möglichst konkret zu vereinbaren, wer meldet sich bei wem bis wann. In der Regel wird eine am Rekrutierungsprozess beteiligte Person sich wieder bei dir melden wollen. Sofern es nicht gleich eine konkrete Aussage gibt, frag am Ende des Gespräches ruhig nochmal freundlich aber bestimmt nach. Und stell sicher, dass du die Kontaktdaten dieser Person notierst, falls du sie nicht schon hast.
Kommt dann zum vereinbarten Zeitpunkt keine Rückmeldung vom Unternehmen, zögere nicht und fasse aktiv nach. So behältst du die Fäden in der Hand und bist der Situation nicht wartend ausgeliefert.
Nicht jede Verzögerung muss negativ sein. Es gibt immer Unwägbarkeiten, die dazu führen können, dass eine getroffene Absprache nicht eingehalten wird. Jemand ist plötzlich erkrankt, eine entscheidende Person ist zeitlich nicht verfügbar, Prioritäten im Unternehmen verschieben sich, etc.
Das ist alles nicht schön, denn du wartest auf eine für dich wichtige Entscheidung, keine Frage. Aber es muss eben nicht zwingend etwas mit dir als Person zu tun haben und nicht unbedingt etwas negatives für dich bedeuten. Dran bleiben, freundlich bleiben und sich immer wieder in Erinnerung bringen ist dann wichtig.
Wann steige ich aus?
Du hast dich immer wieder beim Unternehmen gemeldet und doch geht der Prozess nicht voran. Das passiert leider immer wieder und gefühlt auch immer häufiger. Und das paradoxerweise obwohl alle Welt über Fachkräftemangel klagt und eigentlich händeringend nach Mitarbeitenden sucht.
Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem du dich aus dem Prozess verabschieden solltest. Wann genau das ist, hängt nach meiner Erfahrung von einer Reihe von Faktoren ab. Zum einen spielt es eine Rolle, an welcher Stelle im Bewerbungsprozess du geghostet wirst. Zum anderen spielt eine Rolle, wie sehr du diesen Job bei diesem Unternehmen möchtest oder auch brauchst.
Bekommst du nach der Eingangsbestätigung keine Rückmeldung auf deine Nachfragen, die eine zeitliche Perspektive oder eine nachvollziehbare Erklärung für die Verzögerungen bietet, setze nicht weiter auf dieses Pferd. Ich würde einmal nachfragen und wenn dann nichts kommt, war es das.
Hattest du ein Bewerbungsgespräch und der Kontakt reißt danach ab, empfehle ich durchaus auch zwei- oder dreimal nachzufragen. Wenn das Unternehmen ein Interesse an dir hat, sollte ihm auch daran gelegen sein, dir eine verlässliche zeitliche Perspektive zu geben, wie der Prozess wann weitergeht.
Werden Zusagen trotzdem wieder und wieder nicht eingehalten oder es lässt sich erst gar keine Verbindlichkeit herstellen, solltest du dich fragen, ob du in solch einem Unternehmen arbeiten möchtest. Denn wenn es mit Bewerbenden so umgeht, wird es mit dir als Mitarbeitenden vermutlich nicht anders umgehen.
Grundsätzlich ist der Zeitpunkt des Ausstiegs immer eine Einzelfallabwägung. Welche Erfahrungen hast du bisher mit dem Unternehmen gemacht und wie sehr möchtest du da hin? Allerdings ermuntere ich meine Kund:innen regelmäßig sich nicht zu lange mit Prozessen aufzuhalten, die von Unverbindlichkeit und langwierigen Entscheidungen geprägt sind. Lieber frühzeitig die Energie in andere Bewerbungen stecken, das ist am Ende oft zielführender und befriedigender.
Mal so mal so – die Sache mit der Geduld
Manchmal lohnt sich Geduld und Nachsicht. Ich erinnere mich an einen Kunden, der sich bei der deutschen Niederlassung eines amerikanischen Unternehmens beworben hatte. In Deutschland gibt es nur eine sehr kleine Organisation, die Gespräche wurden direkt mit der deutschen Geschäftsleitung geführt. Es dauerte nach jedem Prozessschritt eine halbe Ewigkeit, bis es Rückmeldung gab und der Prozess weiterging. Mehrfach wurden Rückmeldungen nicht zum in Aussicht gestellten Termin gegeben.
Mein Kunde hatte die Bewerbung schon fast abgeschrieben. Ich habe ihn trotzdem immer wieder ermuntert, sich wieder zu melden und im Spiel zu bleiben. Warum? Die Gespräche waren immer positiv verlaufen, er wollte genau diesen Job, der auch gut zu ihm passt. Und es war keine Organisation mit einer professionell aufgestellten Personalabteilung, eine Organisation ohne viel Erfahrung in der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden und ohne entsprechend etablierte Prozesse. Ich will nicht sagen, dass es dann verzeihlich ist, Zusagen nicht einzuhalten. Und trotzdem verstehe ich, wenn es dann doch passiert.
Heute ist mein Kunde sehr zufrieden bei diesem Unternehmen tätig und sein Feedback zum Rekrutierungsprozess wird ernst genommen.
Ich habe allerdings leider auch schon Fälle erlebt, bei denen Kund:innen eine Zusage vom Unternehmen hatten und dann der Arbeitsvertrag nicht wie avisiert gekommen ist. Alles nachfragen hat nicht zu einer zufriedenstellenden Erklärung geführt. So ärgerlich, frustrierend und demotivierend das auch sein mag. Nur weitergehen und es anderswo neu versuchen hilft dir weiter.
Du erlebst Ghosting auch als ein Problem und möchtest deine Situation einmal analysieren und sehen, was du noch tun kannst? Dann buch dir hier einen Termin für ein kostenloses Telefonat mit mir.
Gemeinsam finden wir heraus, wie du deine Ziele erreichen kannst.
Verfasst / Aktualisiert am:
02.12.2025
Bildnachweis:
Erstellt mit ChatGPT by Christian Brackelmanns